Oder, was Gott durch einen Berg... Ja, Landtagswahlen sind eben nur Landtagswahlen. Nur? Wir können es schon nicht mehr hören. So, als ob wir das Geplänkel und die Ausreden, pardon Erklärungsversuche, nicht alle durchschauen würden. Wenn eine Partei verliert, dann schiebt sie es gerne auf den Bund. Wenn die Landespartei gewinnt, dann kassiert die korrespondierende Bundespartei die Lorbeeren gerne mit. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht alle Kombinationen erörtern, denn diese zählen bereits zum immateriellen Kulturerbe.
Gewonnen haben in Vorarlberg aber nur die Grünen. Die NEOS? – Nein! Obwohl sie bei ihrem ersten Antritt den Einzug in den Landtag geschafft haben, müssen sie sich doch den Vergleich mit der Nationalrats- und EU-Wahl gefallen lassen. Und demgegenüber haben sie eigentlich massiv verloren. Für die NEOS gibt es im Grunde noch keine Landesspezifika. Und auch wenn es nicht unbedingt Demokratie- und Diversitätsförderlich ist, die Wählerinnen und Wähler verlangen doch ein gewisses Maß an politischem Know-how. Ebenso ein gewisses Sensorium für die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Bevölkerung – auch wenn man selbst eine ganz andere Überzeugung vertritt – ist Voraussetzung. Der Geist des Neuen ist ein sehr flüchtiger. Und die Mehrheit der Menschen reagiert sensibel auf gewisse Reizausdrücke insbesondere, wenn sie „Abschaffen", „Wegnehmen" oder „Verkaufen" beinhalten.
Das Schönreden hat also Konjunktur. Doch wen interessiert es, dass die ÖVP mit nahezu zehn Prozent Verlust gar nicht so schlecht abgeschnitten hat? Gemessen an den Umfragen haben sie ja an Boden gewonnen. Und die neuen Wettbewerber,... die waren bestimmt nicht alleine dafür verantwortlich. Denn die Grünen sind – nicht nur aber besonders – in Vorarlberg vor allem eine bürgerliche Bewegung. Und an diese hat die ÖVP doch ein Stück des Kuchens abgegeben und eben nicht an die NEOS. Diese fischten – was der Demokratie gut tut – eher im Teich der Nichtwähler_innen.
Was wirklich interessant ist, ist das Verhältnis FPÖ zu SPÖ. Denn 53% der Arbeiter_innen wählten wahrscheinlich erstere. Und das ist dann doch für den Bund von Relevanz. Denn Vorarlberg ist nicht das schwarze Bergbauernidyll, das in Tirol noch als Erklärung für die geringe Bedeutung der SPÖ reicht, wo tatsächlich niemand sich der Arbeiterklasse zugehörig fühlt. Vorarlberg ist und war eigentlich immer ein starkes Industrieland. Die SPÖ muss sich also über den Verlust ihrer Geschäftsgrundlage Gedanken machen. Arbeiterpartei ohne (aktive) Arbeiter? Bewusst ohne „Binnen-I", denn das Phänomen ist vorwiegend ein junges, männliches. Die SPÖ ist in Vorarlberg nun also nun unbestreitbar zu jener Zwergenpartei geworden, die sie heraufbeschworen hat. Und Geister, die man nicht beherrschen kann, soll man nicht heraufbeschwören. Das kann man schon vom Zauberlehrling lernen.
Dass die SPÖ ihre jungen Wähler an die FPÖ verliert und keine Rezepte findet um diese wieder anzusprechen ist deshalb einschneidend, weil sich die – wenn auch immer losere – Bindung an eine Partei besonders in den jungen Jahren herausbildet und in den späteren Semestern nicht so leicht aufzulösen ist. Eine Partei, die weiter regieren will, muss also 1. ihre Werte selbst kennen und damit ihre Mitglieder und Unterstützer_innen begeistern, diese 2. ständig in einen aktuellen Kontext stellen und 3. diese wirksam an ihre potentiellen Wähler_innen vermitteln können. Dazu gehört aber, dass sich jemand aktiv um eine solche Partei kümmert und sie nicht nur zu einer inhaltslosen Wahlorganisation, verkommt.